Die Anti-Gewalt-Wochen in Rostock boten auch in diesem Jahr den Rahmen für vielfältige Aktionen von Stark Machen e.V., die ein sichtbares Zeichen gegen häusliche und sexualisierte Gewalt setzten. Unsere Beratungsstellen und Projekte waren in der Stadt präsent, um Betroffene zu stärken, Unterstützungsangebote bekannter zu machen und ins Gespräch mit der Öffentlichkeit zu kommen. Mit kreativen Formaten, Veranstaltungen und Mitmachaktionen haben wir deutlich gemacht: Gewalt hat keinen Platz – nicht in Rostock und nicht anderswo.
Ein Licht für jede Frau

Am 25. November 2025 dem internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen* und Mädchen*, haben wir auf dem Doberaner Platz in Rostock 1.567 Lichter entzündet. 1567 Lichter – eines für jede Frau* und jedes Mädchen*, die im Jahr 2024 Beratung gegen häusliche oder sexualisierte Gewalt bei uns in Anspruch genommen haben. Diese Mädchen* und Frauen* haben sich ans Rostocker Frauenhaus gewandt oder an die Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt. Sie wurden beraten in der Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt und Stalking ober bei BeLa – Langfristige Beratung für Betroffene von häuslicher Gewalt.
1.567 Lichter. 1.567 Leben. 1.567 Geschichten. 1.567 Gründe, hinzusehen, aufzustehen und zu handeln.
Psychische Gewalt bleibt oft unsichtbar
Susann Christoph, Leiterin unserer Beratungsstelle BeLa, hat viele von uns tief bewegt, als sie erzählte, wie häufig Frauen zweifeln, ob sie „wirklich“ Opfer häuslicher Gewalt seien – weil sie keine blauen Flecken haben.
„Viele Opfer von häuslicher Gewalt beschreiben die psychische Gewalt als viel destruktiver,
weil sie ihr Innenleben systematisch zerstört und Narben hinterlässt, die nicht einfach wieder heilen.
Ein blauer Fleck verschwindet – ein zerstörtes Selbstwertgefühl nicht.“
Die ganze Rede findet ihr hier.
Häusliche Gewalt ist kein Randthema
Anke Symanzik vom Rostocker Kriminalkommissariat zeigte eindrucksvoll, wie stark sich der Blick auf häusliche Gewalt in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat und wie viel noch zu tun ist. Sie berichtete von frühen Polizeiausbildungen, in denen über das Gewaltschutzgesetz gelacht wurde, und von Einsätzen, die deutlich machten: Gewalt findet überall statt.
„Tagsüber der schicke Anzug, adrette Kinder, das teure Auto vor der Einfahrt…
und nachts fährt man wegen Gewalt dorthin.
Nie hätte ich das gedacht.“
Die ganze Rede findet ihr hier.
Veränderung beginnt in unseren Stadtteilen und in unserer Nachbarschaft
Dr. Carolin Hannert, Stadtteilmanagerin in Rostock-Schmarl, machte Mut und forderte zugleich deutlich ein, dass Nachbarschaften eine Schlüsselrolle spielen:
„Wer kann helfen, diesen Kreislauf des Schreckens zu durchbrechen?
Wir alle zusammen. Als starke Zivilgesellschaft, als starke Nachbarschaft, als solidarische Gemeinschaft.“
Sie benannte klar, dass es Strukturen braucht, die Menschen befähigen, hinzusehen und zu handeln und dass wir erfolgreiche Ansätze wie StoP – Stadtteile ohne Partnerschaftsgewalt langfristig politisch unterstützen müssen.
Die ganze Rede findet ihr hier.
Es stand dieses Jahr wieder im Licht, was viel zu oft im Schatten bleibt.
Wir wollen ein gewaltfreies und selbstbestimmtes Leben für alle Menschen – ohne Angst, ohne Schweigen, ohne Gewalt.
Und wir erinnern uns daran, dass wir alle Teil einer Gesellschaft sind, in der Veränderung nur gelingt, wenn wir gemeinsam hinsehen, aufstehen und handeln.
Für jede Frau*. Für jedes Mädchen*.
Wer an dem Abend nicht dabei sein konnte, kann hier einen Beitrag von RegioTV Rostock dazu sehen.
Buchpräsentation und szenische Lesung "Das Lichthotel"

Am 26. November 2025 wurde im Foyer des Rostocker Rathauses ein besonderer Raum für Literatur, Austausch und künstlerische Auseinandersetzung mit Gewalt geöffnet. Im Rahmen der Anti-Gewalt-Wochen 2025 stellten die Beginen e.V. und Stark Machen e.V. die Publikation „Das Lichthotel“ vor – das Ergebnis der einjährigen Schreibwerkstatt „Endlich genug. Frauen schreiben gegen Gewalt“ (2024–2025). Unter der Leitung der Stralsunder Autorin Silke Peters haben zehn Frauen ihre Erfahrungen, Verletzungen und Hoffnungen miteinander geteilt und in literarische Texte verwandelt.
Die Lesung wurde von einer künstlerischen Performance begleitet, die die Inhalte der Texte eindrucksvoll in Szene setzte. In sechs Kapiteln erzählen die Autorinnen, wie sie „im Lichthotel“ ankommen, zur Ruhe finden, ihre Geschichten teilen und schließlich gestärkt wieder aufbrechen. Ein zentrales Motiv ist ein „magischer Spiegel“, der für jede Frau ein persönliches Manifest sichtbar macht.
Zwei Sätze aus dem Buch blieben vielen Besucher*innen im Gedächtnis:
„Ich will eine Stimme sein.“
„Es ist alles gesagt, weil ich mein Schweigen gebrochen habe.“
Stimmen zur Veranstaltung:
"Die Szenische Lesung fand im Foyer des Rathauses statt, was ich schonmal total richtig und wichtig finde – ein Ort mit Bedeutung und der nötigen öffentlichen Aufmerksamkeit. Damit rückt auch das Thema Aufarbeitung erlebter Gewalt ins Rampenlicht und bleibt nicht im Verborgenen. Die Lesung war großartig und hat mich total berührt. Mir wurde wieder deutlich, wie lange gewaltbetroffene Frauen die Spuren der Gewalt an ihrem Körper fühlen, spüren, sehen, obwohl sie lange zurück liegt und auch schon viel für die Verarbeitung unternommen wurde. Mich hat begeistert, wie hilfreich und befreiend das Schreiben in der Schreibwerkstatt war. Und welch großartiges Gesamtwerk, mit den vielen unterschiedlichen Stilen und Perspektiven, entstanden ist. Das Lichthotel, so habe ich das verstanden, ist für alle etwas anderes: ein Ort, ein Gefühl der Sicherheit, eine lange Zeit. Auf jeden Fall aber: Halt, Hoffnung und Kraft. Die Stimmung im Saal war ergriffen und freudig beglückt zugleich. Die Schauspielerinnen waren großartig stark und ich war dankbar für diese wundervoll Veranstaltung."
Dorothea Engelmann (Leiterin Frauenhaus Rostock)
"Es war spannend zu sehen, wie die Erzählerinnen die Vielseitigkeit gewaltbetroffener Frauen sichtbar gemacht haben. Es kann jede treffen – und jede braucht etwas anderes, um zu heilen oder überhaupt Hilfe zu suchen. Besonders berührt hat mich die Solidarität der Frauen im ‘Lichthotel’. Davon wünsche ich mir viel mehr in der Realität.“
Henriette Kesselring (WoLena & Ehrenamtskoordinatorin Stark Machen)
"Kristin Beckmann-Natzius und Kathrin Valtin haben die Präsentation sehr einfühlsam eröffnet. Das Publikum war aufmerksam und offen für die Performance. Das Bild des Lichthotels als Anker für erlebte Gewalt war stark und nachvollziehbar. Spürbar war die Kraft der Frauen, gemeinsam Schmerz und Emotionen auszudrücken – und die Hoffnung, mit den Folgen weiterleben zu können. Die Stimmung danach war ruhig, achtsam und zugleich voller Wärme und gegenseitiger Unterstützung.“
Birgit Kähler (Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt Rostock)
Dank
Unser Dank gilt allen Beteiligten – den Autorinnen der Schreibwerkstatt, den Künstler*innen der Performance, den Studierenden der HMT, der Gleichstellungsbeauftragten der Hanse- und Universitätsstadt Rostock sowie dem gesamten Organisationsteam.
Ein besonderer Dank auch an Katrin Saat (BeLa Rostock) und Birgit Kähler, die als psychosoziale Begleitung vor Ort waren.





