22.05.2022

 

Die Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt Rostock fordert, gynäkologische Untersuchung auch in der Opferschutzambulanz Rostock unabhängig von Strafanzeigen zu ermöglichen. Sie schließt sich damit einer bundesweiten Aktion der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe an, die vom Bundesverband bff organisiert wird. Gefordert wird, eine umfassende Erstbehandlung nach Gewalt sicherzustellen.
Seit 2020 ist die Finanzierung der vertraulichen Spurensicherung nach sexualisierter und körperlicher Gewalt als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen rechtlich verankert. Die vertrauliche Spurensicherung

soll auch finanziert werden, wenn Betroffene keine polizeiliche Anzeige erstattet haben. Sie umfasst Dokumentation, Laboruntersuchungen und Aufbewahrung der Befunde. Eine Umsetzung des Gesetzes fehlt zwei Jahre später immer noch. Leider ist im Gesetz nur die Spurensicherung geregelt. Doch auch eine traumasensible und umfassende medizinische Versorgung nach sexualisierter und körperlicher Gewalt ist an vielen Orten nicht gegeben. Dazu Katharina Göpner, bff-Geschäftsführerin „Die Istanbul-Konvention ist geltendes Recht und verpflichtet Deutschland dazu, eine kostenfreie und flächendeckende Akutversorgung nach sexualisierter oder körperlicher Gewalt sicherzustellen, sonst ist die Gesundung von Betroffenen massiv gefährdet.“


Mitarbeiter:innen der Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt in Rostock haben dies mehrfach bei der Beratung von Betroffenen erlebt. Die Südstadtklinik in Rostock hat aus Kapazitätsgründen Aufgaben der Opferschutzambulanz in Rostock übernommen. So werden gynäkologische Untersuchungen nach sexuellen Übergriffen im Klinikum durchgeführt. Lena Melle, Leiterin der Fachberatungsstelle, dazu: „Immer wieder berichten uns Betroffene, dass die Untersuchung nur in Verbindung mit einem Kontakt zur Polizei und also mit einer Strafanzeige einhergehend möglich war. Betroffenen wird hier die Möglichkeit genommen, selbstbestimmt zu handeln. Personen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben, verlieren oft das Vertrauen in ihren eigenen Körper und in sich selbst. Die Anzeigeerstattung über ihren Kopf hinweg ist im Prinzip ein erneuter Akt von Gewalt – diesmal strukturell.“ Melle betont, dass die Opferschutzambulanzen in Mecklenburg-Vorpommern eine enorm wichtige Arbeit leisten. Wichtig sei es, perspektivisch vollumfänglich und an allen Standorten auch das Recht auf eine medizinische Versorgung und anonymisierte Beweissicherung unabhängig von einer Strafanzeige bzw. deren Zeitpunkt umzusetzen. In Greifswald entspräche die Vorgehensweise komplett der Istanbul-Konvention. In Rostock leider bei notwendigen gynäkologischen Untersuchungen nicht.


Die Rostocker Opferschutzambulanz gehört zur Universitätsmedizin Rostock. Auf der Internetseite der Ambulanz ist auch vermerkt, dass die gynäkologische Untersuchung, Spurensicherung und Dokumentation der Gewaltfolgen nicht mit einer Anzeige verknüpft sind. Trotzdem sieht dies laut Aussagen Betroffener in der Praxis derzeit anders aus.


Die Fachberatungsstelle gegen sexualisierte Gewalt und ihr Trägerverein STARK MACHEN e.V. fordern eine Rückkehr zum traumasensiblen Umgang mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt in allen Opferschutzambulanzen in Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem sollte die Zahl der Opferschutzambulanzen erhöht und die Erreichbarkeit rund um die Uhr sichergestellt werden. Vor allem im ländlichen Raum müssen Betroffene weite Wege auf sich nehmen. Opferschutzambulanzen gibt es lediglich in Rostock und Greifswald sowie eine Außenstelle der Rostocker Opferschutzambulanz in Schwerin. Für diese weist die Internetseite allerdings nur Adresse und Telefonnummer, aber keine Öffnungszeiten aus.
Die Fachberatungsstelle in Rostock war 2021 Anlaufpunkt für 350 Erwachsene und Kinder unterschiedlichster Geschlechtsidentität. In 82 Prozent der Fälle waren hier Frauen und Mädchen von sexualisierter Gewalt.


Der Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe bff veröffentlicht ein aktuelles Forderungspapier „Versorgungslücken schließen – medizinische Behandlung nach Vergewaltigung sicherstellen“, welches von Beraterinnen aus der Praxis erarbeitet wurde und die mangelnde medizinische Versorgung nach erlebter Gewalt in den Mittelpunkt stellt.
Begleitet wird die Veröffentlichung des Papers durch eine Social-Media Aktion mit Fallgeschichten von Betroffenen. Die weiteren Fälle zeigen wie die unzulänglichen Strukturen z.B. für Frauen mit Behinderungen oder ohne Krankenversicherung massive Auswirkungen haben.

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